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Nachhaltigkeit: Warum umweltorientiertes Unternehmertum die Märkte verändern wird - Interview mit B.A.U.M.
Von Matthias Widder, NachrichtenFormat.de


(nf/maw/16.02.10)
Die Krise scheint überstanden, doch der Aufschwung will nicht so Recht in Gang kommen. Dies könnte vielleicht auch ein wenig damit zu tun haben, dass sich Teile der Wirtschaft momentan noch schwer tun, überholte Strukturen hinter sich zu lassen. Viele Erfolgsrezepte der Vergangenheit warten darauf, von neuen Ideen, Konzepten und zukunftsfähigen Innovationen abgelöst zu werden.

Dabei ist die Richtung mit dem großen Stichwort Nachhaltigkeit längst vorgegeben. Welche Chancen hat ein solcher Umbruch in der Ökonomie tatsächlich? NachrichtenFormat.de sprach dazu mit Martin Oldeland, Vorstandsmitglied des Bundesdeutschen Arbeitskreises für Umweltbewusstes Management e.V. (B.A.U.M.), einer Wirtschaftsvereinigung, die sich seit mehr als einem Vierteljahrhundert für das Thema stark macht.

NachrichtenFormat.de: Herr Oldeland, der sehnlichst erwartete Aufschwung nach der Krise wird vermutlich nicht besonders kraftvoll ausfallen. Rutscht das Thema Nachhaltigkeit in einer so schwierigen Phase auf der Prioritätenliste der Unternehmen nach unten?

Martin Oldeland: Natürlich müssen sich Unternehmen in Zeiten einer Krise auf veränderte Bedingungen der Wirtschaftlichkeit, der Wettbewerbsfähigkeit und der Innovationskraft einstellen. All dies sind aber zugleich Themen, die eng mit der Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens verbunden sind und damit sind wir dann auch schon beim Thema Nachhaltigkeit.

Das gleichzeitige und gleichrangige Beachten der drei Säulen Ökonomie, Ökologie und Soziales ist aus unserer Sicht der Schlüssel zum dauerhaften Erfolg. Unternehmen sparen beispielsweise auf intelligente Weise Ressourcen, senken damit ihre Kosten und reduzieren gegebenenfalls noch negative Umwelteinflüsse wie den CO2-Ausstoss beim Energieverbrauch. Allein schon die Nutzung der enormen Kostensenkungspotenziale und damit die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit sind also Grund genug, um die hohe Priorität des Themas auch in der Krise beizubehalten.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass auch der Finanzmarkt mittlerweile zunehmend die Beachtung von Nachhaltigkeitsaspekten verlangt. Unternehmen ohne Nachhaltigkeitsstrategie werden als Anlegerrisiko betrachtet und das wirkt sich dann auch negativ auf Finanzierungskonditionen aus. Dies gilt es natürlich aus unternehmerischer Sicht zu vermeiden.

Diese Perspektive hat sich allerdings noch nicht überall durchgesetzt. Umweltorientiertes unternehmerisches Handeln gilt in Teilen der Wirtschaft nach wie vor als bloßer Kostenfaktor. Stellt ökologisches Management immer noch einen Wettbewerbsnachteil dar?

Ganz im Gegenteil. Ökologisches und nachhaltiges Management ist heute ein ganz zentraler Beitrag zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. B.A.U.M. und seine Mitgliedsunternehmen beweisen das seit über 25 Jahren mit großem Erfolg. Dies betrifft sowohl Produkte, die sich bereits am Markt bewährt haben, als auch ganz neue Produkte, bei deren Entwicklung das Kriterium Nachhaltigkeit von Beginn an berücksichtigt werden kann. In beiden Fällen ist von Kostenvorteilen und damit auch von einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit auszugehen.

Die Nachhaltigkeit eines Produktes oder einer Dienstleistung schlägt sich ja vielfach im höheren Preis nieder. Wie gehen umweltorientierte Unternehmen damit um, dass potenzielle Kunden manchmal sagen: Ich bin nicht bereit, dafür zu bezahlen?

In der Tat ist dieser Aspekt ganz entscheidend. Hier sind viele Menschen noch unentschlossen, um den letzten Schritt vom Umdenken zum konkreten Handeln zu gehen. Gerade in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit spielt der Preis bei Kaufentscheidungen eine enorm wichtige Rolle, auch wenn andere Argumente wie Qualität, soziale Kriterien bei der Herstellung, Bio-Label oder Ähnliches beworben werden.

In vielen dieser argumentativen Bereiche mangelt es allerdings auch an gut zugänglicher Information. Wie können umweltbewusste Unternehmen dafür sorgen, dass Verbraucher im Konsumalltag genügend „Durchblick“ erhalten?

Hier bedarf es einer transparenten, glaubwürdigen Kommunikation über die Produkte, Produktionsprozesse und Vorteile nachhaltiger Produkte. Entscheidend ist, dass die Konsumenten diese Informationen dann auch bekommen. Labels, Informationen am Produkt, Kundenzeitschriften, Internetseiten: solche Kommunikationswege müssen intensiv genutzt werden, um die Unterschiede zu konventionellen Produkten heraus zu stellen.

Es gibt etablierte Unternehmen, die inzwischen stark auf Nachhaltigkeit setzen, obwohl sie ursprünglich überhaupt nichts mit der „Öko-Ecke“ zu tun hatten. Wie groß ist die Gefahr, dass es sich dabei in erster Linie um reines „Greenwashing“ handelt? Dies wird ja beispielsweise den großen Energieversorgern oder auch der Autoindustrie vorgeworfen.

Die Möglichkeit des „Greenwashing“ besteht natürlich und es gibt auch Trittbrettfahrer, die einen Trend ausnutzen wollen. Nachhaltigkeit heißt aber eben auch Langfristigkeit und Wahrnehmung seiner gesellschaftlichen Verantwortung. Damit positioniert man sich dann am Markt und wenn dies nicht auf realem nachhaltigen Verhalten beruht, kommt dies in der heutigen Medienwelt schnell heraus. Dies bedeutet dann Skandale, Umsatzeinbußen oder Reputationsverlust und führt zu langfristigem Schaden. Also wenn schon nachhaltig, dann auch richtig und nachweisbar. Transparenz und Glaubwürdigkeit sind Schlüsselfaktoren. Wenn Unternehmen sich in diese Richtung verändern, ist dies sehr zu begrüßen.

Welche Perspektiven sehen Sie derzeit für die originären Ökobranchen? Für die Solarindustrie werden die Rahmenbedingungen mit der Kürzung der Beihilfen ja beispielsweise sehr viel schwieriger.

Wir sehen für diesen Bereich auch in Zukunft gute Chancen. Der Trend zu mehr nachhaltigem Konsum wird sich verstärken und professionell aufgestellte, innovative Unternehmen werden mit weiteren Produkten über die unterschiedlichen Handelswege die Märkte verändern. Auch die Aufnahme von Bioprodukten in die Sortimente großer Handelsketten zeigt die Bedeutung im Markt. Die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung durch Unternehmen ist von Firmen der „Ökobranchen“ zudem glaubhafter zu vermitteln.

Welche Rolle kann aus Ihrer Sicht der Staat übernehmen, um einer nachhaltigen Ökonomie auf die Beine zu helfen?

Nachhaltiges Wirtschaften ist der Gegenentwurf zum sogenannten Turbokapitalismus und dem Ignorieren der Verantwortung für die Gesellschaft und die Zukunft unseres Planeten. Die Bevölkerungszunahme, verbunden mit steigendem Wirtschaftswachstum in immer mehr Staaten bei gleichzeitiger Ressourcenverknappung und fortschreitendem Klimawandel, führt zu ernsten Problemen. Wir sind überzeugt, dass nachhaltiges Wirtschaften die richtigen Antworten auf die Fragen der Zukunft bietet. Es sind globale Probleme zu lösen aber es gibt auch globale Chancen, die es zu nutzen gilt. Hierfür braucht es internationale aber auch nationale Rahmenbedingungen und die werden von Regierungen gesetzt.

Dabei gibt es auch einen Wettbewerb von Staaten. Insofern ist der Staat gefordert die richtigen Weichen zu stellen und auch Zukunftspfade zu unterstützen, damit eine erfolgreiche Entwicklung stattfinden kann. Ein gutes Beispiel dafür ist die Einführung des Gesetzes über Erneuerbare Energien. Wichtig ist, dass solche Weichenstellungen immer zeitnah gestaltet werden, um international nicht den Anschluss zu verlieren.

Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang das Scheitern des Kopenhagener Klimagipfels: als Enttäuschung oder eher als Ansporn, sich auf nicht-staatlicher Ebene umso mehr zu engagieren?

Wir sehen es eher als Ansporn. Gerade beim Thema Klimaschutz geht es ja immer auch um Energie und damit um deren Verfügbarkeit, die Energieversorgungssicherheit und Energiekosten. Dies liegt im vitalen Interesse der Wirtschaft und schon aus diesem Grund werden sich Unternehmen eventuell sogar schneller als die Politik mit dem Thema erfolgreich auseinandersetzen und mit neuen Produkten und Produktionsprozessen Lösungen schaffen, Märkte verändern und dabei gleichzeitig durch verringerte CO2-Emissionen auch das Klima schützen.

Sie vertreten derzeit etwa 500 umweltorientierte Firmen. Wie viele werden es Ihrer Einschätzung nach in zehn Jahren sein?

Hoffentlich sehr viel mehr, wobei der Erfolg von B.A.U.M. sich nicht nur an der Zahl der Mitglieder festmacht. Wichtig ist, dass wir vor allem mit praxisorientierten Projekten und Kommunikationskampagnen sowie strategischen Allianzen mit Partnern viel für das Thema Umwelt und Nachhaltigkeit bewegen können.

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg und bedanken uns für das Gespräch.

Kurzprofil B.A.U.M. e.V.

Der Bundesdeutsche Arbeitskreis für Umweltbewusstes Management e.V. wurde von Unternehmern als überparteiliche Umweltinitiative der Wirtschaft gegründet und steht seit über 25 Jahren für vorsorgenden Umweltschutz und nachhaltiges Wirtschaften. B.A.U.M. ist ein Informations-, Beratungs- und Kontaktnetzwerk für Unternehmen und mit über 500 Mitgliedern der verschiedensten Branchen und Größen die größte Umweltinitiative der Wirtschaft in Europa.

B.A.U.M. kümmert sich um einen praxisorientierten Informations- und Erfahrungsaustausch sowie den Aufbau und die Pflege vielfältiger nationaler und internationaler Kontakte in Wirtschaft, Wissenschaft, Verbänden, Politik und Medien. Zudem führt er vielfach national und international ausgezeichnete Arbeitskreise, Forschungs- und Praxisprojekte sowie Kampagnen im Bereich Nachhaltiges Wirtschaften durch und arbeitet in zahlreichen Juries und Beiräten mit.

Hinweis der Redaktion: Für den Inhalt der Interviewaussagen ist der angegebene Gesprächspartner verantwortlich. NachrichtenFormat gibt keine Gewähr für Aktualität, Vollständigkeit und Richtigkeit.

Infolink zu B.A.U.M. e.V.
Fragen zum Interview:
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