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Euroraum: „Für die Schuldenkrise ist derzeit keine Lösung in Sicht" - Wachsende Kluft und zunehmende Spannungen
(nf/red/27.12.10) Innerhalb der Eurozone wird das wirtschaftliche Gefälle immer größer. Laut Prognose der Beratungsgesellschaft Ernst & Young können Länder wie Deutschland, Österreich, Belgien oder Finnland auch im Jahr 2011 ansehnliche Wachstumsraten erzielen. Dagegen werden sich die Volkswirtschaften Spaniens oder Italiens eher schwach entwickeln, während in Irland, Portugal und Griechenland Rezession herrscht. Insgesamt werde die Kluft zwischen den wirtschaftsstarken nördlichen Ländern und dem schuldengeplagten Süden Europas weiter wachsen.

Audio zum Thema (Autor: Matthias Widder)


Originaltext von Ernst & Young:


+++ (...) Die EEF prognostiziert für das Jahr 2011 eine leichte Abschwächung der Konjunktur in der Eurozone mit einem Rückgang des BIP-Wachstums auf 1,4 Prozent (2010: 1,7 Prozent). Im Zeitraum 2012 bis 2014 dürfte das Wachstum im Durchschnitt 1,9 Prozent betragen – vorausgesetzt, es kommt nicht zu einer dramatischen Verschärfung der Krise. „Konjunkturprognosen sind immer mit einer gewissen Unsicherheit verbunden – aber derzeit ist die Unsicherheit besonders groß“, stellt Clemens Fuest, Professor für Unternehmensbesteuerung an der Universität Oxford und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von Ernst & Young, fest. „Die zukünftigen Wirtschaftsperspektiven für die Eurozonen stehen und fallen mit der weiteren Entwicklung der Schuldenkrise. Die fehlende Klarheit darüber, ob und in welcher Form in der Eurozone eine Umstrukturierung von Staatsschulden ansteht, belastet die Wachstumssaussichten im Euroraum erheblich, vor allem in den Krisenländern. Eine schnelle Klärung der Lage ist nicht zu erwarten.“

Unterschiedliche Wachstumsraten verstärken wirtschaftliches Gefälle

Innerhalb der Eurozone sind die Unterschiede bereits heute enorm. Die Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts rangieren im Jahr 2010 von -4,0 Prozent in Griechenland bis +3,5 Prozent in Deutschland – und dies, noch bevor die peripheren Volkswirtschaften die Maßnahmen zur Sanierung ihrer öffentlichen Haushalte in vollem Umfang zu spüren bekommen haben. In den kommenden Jahren wird die Kluft zischen Norden und Süden aufgrund der anhaltend schwachen Wirtschaftsentwicklung in den Euro-Peripheriestaaten immer größer.

„Das wirtschaftliche Gefälle innerhalb der Eurozone wird sich in den kommenden Jahren voraussichtlich weiter vergrößern, und die Spannungen werden weiter zunehmen. Die prosperierenden Länder – allen voran Deutschland – werden zunehmend mit Forderungen nach einer Transferunion konfrontiert werden, um den schwachen Ländern der Europeripherie zu Hilfe zu kommen“, erwartet Herbert Müller, Vorsitzender der Geschäftsführung von Ernst & Young.

(...)

Arbeitslosigkeit sinkt im Norden und steigt im Süden


Besonders deutlich werden die eklatanten Unterschiede auf den Arbeitsmärkten der Eurozone: So liegt die Arbeitslosenquote in diesem Jahr in Österreich und den Niederlanden bei 4,5 und in Deutschland bei 6,9 Prozent. Griechenland und Spanien weisen hingegen 2010 eine Arbeitslosenquote von 12,5 bzw. 20,2 Prozent auf. Und während die Quote in der Mehrheit der Euro-Länder – einschließlich Italien – im kommenden Jahr sinken wird (in Deutschland auf 6,5 Prozent), wird die Zahl der Arbeitslosen in Portugal, Spanien, Griechenland und Irland weiter steigen. Mindestens bis 2014 wird sich die Lage kaum entspannen: In keinem der vier Krisenländer wird es zu einem deutlichen Abbau der Arbeitslosigkeit kommen.

Deutschland bleibt mittelfristig Wachstumsmotor der Eurozone

Das Wachstum in Deutschland wird in den kommenden fünf Jahren über dem durchschnittlichen Wachstum der Eurozone liegen. (...)

Die erheblichen Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Schuldenkrise würden allerdings das Wachstum in der Eurozone und auch in Deutschland dämpfen, ergänzt Müller: „Für die Schuldenkrise in Europa ist derzeit keine Lösung in Sicht. Daher werden die Unternehmen auf der Suche nach Wachstumsmöglichkeiten zukünftig einen Bogen um die Krisenstaaten machen und sich noch stärker in Richtung Schwellenländer orientieren. Die Investitionsströme werden sich weg von Europa in Richtung Schwellenländer verlagern“.

Neuverschuldung sinkt deutlich


Dank sprudelnder Steuereinnahmen wird Deutschland seine Neuverschuldung deutlich reduzieren: von 4,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2010 auf 3,6 Prozent im Jahr 2011. Im Jahr 2012 wird die Neuverschuldung dann unter die drei-Prozent-Grenze des Maastrichter Vertrags sinken – auf 2,8 Prozent.

Um den Preis harter Sparmaßnahmen werden auch die Krisenländer ihre Neuverschuldung deutlich senken können: Im Fall Irlands, das im Jahr 2010 voraussichtlich neue Schulden in Höhe von 32,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufnimmt, wird die Neuverschuldung auf 10,8 (2011) bzw. 8,5 (2012) Prozent sinken. Trotz ihrer Sparbemühungen werden Spanien, Irland und Griechenland auch im Jahr 2014 bei der Neuverschuldung noch über der drei-Prozent-Grenze liegen.

Von einem Schuldenabbau sind diese Länder zudem weit entfernt: So werden zum Beispiel die Schulden des irischen Staats von derzeit 96 auf 114 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2014 steigen. Griechenland wird 2014 voraussichtlich sogar Schulden in Höhe von 156,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts haben. Vor allem im Fall Griechenlands spricht alles dafür, dass die Staatsfinanzen nur mit massiven Hilfen von außen oder im Rahmen eines Schuldenschnitts zu sanieren sind.”

(...)

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