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Eurozone: "Weichen sind falsch gestellt" - Forscher fordern umfassende Strategie zur Stabilisierung
(nf/red/04.01.11) Wirtschaftsexperten sind sich einig: Die Verschuldungskrise in der Eurozone ist längst nicht ausgestanden. Noch fehlt es an tragfähigen Konzepten, um weitere Erschütterungen des gemeinsamen Währungsraums zu verhindern oder deren Auswirkungen zumindest einzudämmen. Angesichts der herrschenden Unsicherheit stehen Konjunkturprognosen derzeit unter starkem Vorbehalt.

Ein Maßnahmenpaket zur Bewältigung der Eurokrise hat jetzt das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung vorgelegt. Die Forscher fordern unter anderem die Einführung von Eurobonds und die Gründung eines Europäischen Währungsfonds. Zugleich warnen sie vor einer zu rigiden Sparpolitik in Ländern mit "einigermaßen intakten Staatsfinanzen" wie Deutschland.

Das DIW Berlin plädiert für einen verbindlichen Krisenmechanismus und eine Umschuldung der bedrängten Staaten unter Beteiligung privater Kreditgeber.

Originaltext des IMK:

+++Wichtige Weichen in der deutschen und europäischen Wirtschaftspolitik sind Anfang 2011 falsch gestellt. Das drängendste Problem: Die EU-Länder haben trotz ihrer jüngsten Beschlüsse noch nicht die nötigen Vorkehrungen getroffen, um die Krise der Währungsunion einzudämmen. Zu diesem Ergebnis kommt das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung in seinem Jahresausblick, der heute als IMK Report 59 erscheint. Um die Eurokrise dauerhaft zu entschärfen, empfehlen die Wissenschaftler einen Mix von Maßnahmen. Dazu gehören unter anderem: Der Rettungsfonds sollte so erweitert werden, dass er die bestehenden Staatsschulden von Krisenländern garantiert. Bis dahin sollte die Europäische Zentralbank (EZB) Staatsanleihen notfalls auch in größerem Umfang als bisher aufkaufen. Ferner sollten Kredite des Rettungsfonds niedrig verzinst werden. Ab 2013 sollten Eurobonds aufgelegt und ein Europäischer Währungsfonds gegründet werden. Die Steuerbasis in den Krisenländern sollte verbreitert und ein verbindliches Mindestniveau der Besteuerung EU-weit etabliert werden. Schließlich sollte es in Deutschland und anderen EU-Staaten mit Leistungsbilanzüberschüssen Investitionsprogramme geben, um die Binnennachfrage zu stärken. Dies sei notwendiger Bestandteil eines Stabilisierungskonzepts, so das IMK.

"Viele Politiker und Ökonomen in Deutschland und Europa schwanken bei der Suche nach Wegen aus der Eurokrise zwischen Kraftmeierei und Verzagtheit", sagt Prof. Dr. Gustav A. Horn, der Wissenschaftliche Direktor des IMK. "Einerseits ist die Rede davon, europäische Länder, die wichtige Partner in Politik und Außenhandel sind, zur Not einfach pleite gehen zu lassen. Andererseits wollen jetzt alle Regierungen mit Sparprogrammen auf Nummer Sicher gehen. Obwohl die zumindest bei uns und in anderen Ländern mit einigermaßen intakten Staatsfinanzen derzeit viel mehr schaden als nutzen." Natürlich müssten alle Euroländer ihre durch Finanzkrise und Bankenrettung strapazierten Haushalte konsolidieren, betont der Wirtschaftsforscher. "Aber das gelingt nicht nach Schema F, indem alle gleichzeitig auf die Ausgabenbremse steigen und die Konjunktur abwürgen. Das führt eher in einen Teufelskreis: Viele Finanzmarktakteure sind nervös und misstrauen den europäischen Staaten. Wenn dann noch schlechte Konjunkturzahlen kommen, werden sie noch nervöser", so Horn. "Die beste Konsolidierungsstrategie unterstützt im ersten Schritt ein nachhaltiges Wachstum und profitiert dann von höheren Einnahmen und geringeren Ausgaben." (...) +++

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Originaltext des DIW Berlin:

+++ (...) Besonders kritisch sehen die DIW–Experten die Maßnahmen zur Lösung der Eurokrise. DIW–Präsident Zimmermann sagte: "Die Eurokrise ist zunächst eine Staatsschuldenkrise und damit die Krise einzelner Mitgliedsstaaten. Ob Eurobonds oder Rettungsschirm, viele der vorgeschlagenen oder ergriffenen Maßnahmen sind nur Liquiditätshilfen. Das ist ein Zeichen von Ratlosigkeit und kann die Probleme keinesfalls lösen." Durch die Hilfen würde der Druck auf die Regierungen der Krisenländer gelockert, endlich die strukturellen Probleme anzugehen. Wichtig wäre deshalb, sie mit harten Auflagen zu verbinden. Entscheidend sei außerdem die Einführung von formellen Mechanismen mit klaren Regeln zur Überwindung solcher Krisen. "Dazu gehört eine strenge Kontrolle der Fiskalpolitik der europäischen Staaten durch eine unabhängige europäische Institution und eine Umschuldung der bedrängten Staaten, die nicht nur den Steuerzahler, sondern vor allem die beteiligten privaten Kreditgeber ins Boot nimmt", sagte Zimmermann. (...) +++

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