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Politikerstudie: Parlamentarier fühlen sich machtlos und sehen bei gesellschaftlichen Veränderungen die Bürger selbst in der Pflicht
(nf/red/09.02.11) Die "gefühlte Machtlosigkeit" bleibe "aus demokratietheoretischer Perspektive bedenklich". So lautet einer der Kommentare zur aktuellen Abgeordneten-Studie der "Change Centre Foundation" in Kooperation mit der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf. Die Untersuchung zeigt, dass Parlamentarier ihren eigenen Einfluss auf gesellschaftlichen Wandel offenbar als sehr gering einschätzen - obwohl sie vom Wähler einen politischen Gestaltungsauftrag erhalten haben. Wenn es jedoch um Veränderung geht, sehen viele Parlamentarier die Bürger selbst in der Pflicht. Gaben sich die Abgeordneten bei der Befragung allzu bescheiden oder haben sie angesichts der strukturellen Zwänge einer repräsentativen Parteiendemokratie resigniert?

Audio zum Thema (Autor: Matthias Widder)

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Originaltext der Change Centre Foundation:

+++ Die gewählten Volksvertreter in Deutschland wollen viel ändern, schätzen ihren eigenen Einfluss auf gesellschaftlichen Wandel aber sehr gering ein. Mehrheitsmeinung in den Parlamenten ist statt dessen: Der einzelne Bürger muss selbst für Veränderung sorgen.

Das ist eines der zentralen Ergebnisse der aktuell größten Deutschen Parlamentarierstudie, die jetzt von der Change Centre Foundation in Kooperation mit der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf veröffentlicht wurde.  

Im Durchschnitt plädieren 46 Prozent der befragten Abgeordneten dafür, dass die Bürger Veränderungen selbst in die Hand nehmen sollen. Allerdings unterscheiden sich die Parteien deutlich in ihrem Meinungsbild. Abgeordnete von CDU/CSU, FDP und auch der Grünen sehen die Bürger sehr viel stärker in der Pflicht als die Parlamentarier von SPD und der Linken. Diese präferieren ganz deutlich ein Change-Konzept, nach dem für Veränderungen und Innovationen vor allem der Staat zuständig ist.  

Mehr als jeder dritte Abgeordnete hat mitgemacht

An der Studie hat mehr als jeder dritte Abgeordnete aus dem Bundestag und den Länderparlamenten teilgenommen – bei Parlamentsdebatten ist oft ein geringerer Anteil im Sitzungssaal. Zunächst wurden bereits im Sommer 2010 die Abgeordneten aller Landtage und des Deutschen Bundestags befragt - zum Teil per Post sowie über einen Online-Fragebogen. Die Parteizugehörigkeit der knapp 900 Teilnehmer (über 35 Prozent Teilnahmequote) entspricht fast exakt der realen Verteilung in den deutschen Parlamenten, so dass die Befragung politisch repräsentativ ist. Seit Januar stehen ebenfalls die Antworten von über tausend Abgeordneten der größten deutschen Städte zur Verfügung - damit liegt mit etwa 2.000 Befragten mit Abstand der größte Datenpool zur Veränderungsbereitschaft der politischen Elite Deutschlands vor.

Linke Abgeordnete mit stärkstem Veränderungsbedarf

Die Abgeordneten wurden nach der Wichtigkeit von Veränderungen in zehn Politikfeldern befragt - von Bildung über Arbeitsmarkt bis zur Gesundheitspolitik. Insgesamt zeigen SPD und Linke dabei den größten Gestaltungswillen, während die Abgeordneten von CDU/CSU und FDP einen viel geringeren gesellschaftlichen Veränderungsbedarf verspüren. „Die Grünen gruppieren sich genau in der Mitte zwischen diesen beiden Blöcken“, sagt Prof. Dr. Joachim Klewes von der gemeinnützigen Change Centre Foundation, der die Studie konzipiert hat.

Und wo genau sehen die Parlamentarier den größten Veränderungsbedarf? Die Studie zeigt: Das Schlagwort der Bildungsrepublik hat seine Berechtigung, aus Sicht der Volksvertreter ist es bis dahin jedoch noch ein langer Weg. So fordern jeweils mehr als acht von zehn Abgeordneten Fortschritte in Erziehung, Bildung und Ausbildung sowie in Wissenschaft und Technik. Auch Veränderungen in Umwelt- und Klimaschutz (81%) sowie bei Infrastruktur und Energieversorgung (79%) stehen ganz oben auf der Liste der Parlamentarier.  

In ihrem Gestaltungswillen fühlen sich die Parlamentarier allerdings in der Realität der politischen Arbeit offenbar ausgebremst – denn ihren eigenen Einfluss auf Veränderungen halten sie für gering. Je nach Politikfeld bezweifeln zwischen 65 und 88 Prozent der Volksvertreter, selbst einen großen Einfluss zu haben. „Dies mag an den vielfältigen Zwängen von Fraktionen und Parteiapparaten liegen oder auch an der Arbeitsteilung im Parlament. Dennoch bleibt die gefühlte Machtlosigkeit aus demokratietheoretischer Perspektive bedenklich", sagt der bekannte Politikwissenschaftler Prof. Dr. Ulrich von Alemann zu den Ergebnissen.  

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