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Arbeitsmärkte: Krise in den meisten OECD-Ländern nicht bewältigt - Hohe Jugenderwerbslosigkeit - Appell für mehr "hochwertige" Jobs
(nf/red/27.09.11) Mit großer Sorge blickt die OECD auf die Entwicklung der Arbeitsmärkte. In den meisten Industrie- und Schwellenländern seien die Folgen von Finanzkrise und Rezession nicht bewältigt, heißt es im Kommentar zum aktuellen Beschäftigungsausblick der Organisation. Demnach sind seit 2007 allein in den 34 OECD-Mitgliedsländern mehr als 13 Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen. Zwischenzeitliche Erfolge beim Beschäftigungsaufbau würden durch das erneut gedrosselte Wirtschaftswachstum wieder zunichte gemacht. Insgesamt seien OECD-weit mehr als 44 Millionen Menschen ohne Arbeit.

Alarm schlägt die OECD vor allem angesichts der hohen Langzeitarbeitslosigkeit und der vielerorts aussichtslosen Situation von Jugendlichen. Neben Geringqualifizierten seien junge Leute am härtesten von der Jobkrise getroffen worden. Auch weist die Organisation auf die sinkende Qualität vieler vorhandener Arbeitsverhältnisse hin. Festzustellen sei eine zunehmende Ungleichheit bei den Einkommen, eine schwache Entwicklung der Reallöhne und ein "rasanter Anstieg" befristeter Beschäftigung. Ein vergleichsweise gutes Zeugnis erhält Deutschland. Neben Chile ist die Bundesrepublik demnach das einzige Land, in dem der Jobmarkt die Krise hinter sich lassen konnte.

Audio zum Thema (Autor: Matthias Widder)

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Originaltext der OECD:

+++ (...) Während Deutschland und Chile heute eine niedrigere Arbeitslosenquote haben als vor Beginn der Wirtschaftskrise, kämpfen alle anderen OECD- und viele G20-Länder noch immer mit den Folgen der Rezession für den Arbeitsmarkt. Hatte sich die Situation im Jahr 2010 in vielen Regionen etwas entspannt, so macht das jüngst wieder gedrosselte Wirtschaftswachstum die kurzzeitigen Gewinne zunichte. Der aktuelle Beschäftigungsausblick der OECD verzeichnet in den 34 Ländern der Organisation ein Minus von 13 Millionen Jobs gegenüber der Vorkrisenzeit. OECD-weit waren damit im Juni dieses Jahres mehr als 44 Millionen Menschen arbeitslos, viele von ihnen bereits seit mehr als zwölf Monaten.

Die Langzeitarbeitslosigkeit hat sich seit 2007 in einigen Ländern verdoppelt, in den USA sogar verdreifacht. Deutschland ist zwar auch hier eines der wenigen Länder mit einem positiven Trend, dafür liegt der Anteil der Menschen, die ein Jahr oder länger keine Arbeit gefunden haben, mit 47 (Prozent, d. Red.) aller Arbeitslosen sehr hoch. Eine besonders erfreuliche Ausnahme bildet Deutschland bei der Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit. Diese sank zwischen 2007 und 2010 um zwei Prozentpunkte auf 9,7 Prozent.  Ganz anders im OECD-Mittel: Hier gehören junge Leute zwischen 15 und 24 Jahren zur Gruppe derer, die am stärksten unter dem Einbruch auf dem Jobmarkt leiden. Ihre Beschäftigungszahl ging zwischen Ende 2007 und 2010 um zehn Prozent zurück. Ähnlich schwerwiegend waren die Auswirkungen für Geringqualifizierte, sie verloren im gleichen Zeitraum mehr als neun Prozent. Bei den Geschlechtern sah es für Männer OECD-weit schlechter aus als für Frauen: Ihre Beschäftigung sank um 2,7 Prozent, während die Frauen mit einem Rückgang von 0,6 Prozent relativ glimpflich davon kamen.

(...) Die Arbeitslosenquote unter jungen Menschen ist in den meisten G20-Ländern doppelt bis dreimal so hoch wie jene der älteren Bevölkerung. Wie der OECD-Beschäftigungsausblick festhält, waren Ende 2010 mehr als 22 Millionen junge Leute innerhalb der OECD weder in Ausbildung, noch hatten sie einen Job. Für sie ist das Risiko einer dauerhaften Ausgrenzung vom Arbeitsmarkt extrem hoch. Auch führen Anlaufschwierigkeiten bei der Jobsuche häufig zu einem anhaltenden Verdienstgefälle im Vergleich zu Arbeitskräften mit gleicher Qualifikation. Insgesamt kommt der Beschäftigungsausblick zu dem Schluss, dass junge Menschen, die in den kommenden Jahren die Schule verlassen, es wesentlich schwerer haben werden, eine Anstellung zu finden als frühere Generationen.

Der Bericht listet eine Reihe von Maßnahmen, die dieser Tendenz entgegen wirken können: Präventiv muss nach Ansicht der OECD-Experten die frühkindliche Betreuung und Erziehung verbessert werden - und das speziell für Kinder aus sozial benachteiligten Familien. Hält man solche Maßnahmen über die Dauer der Pflichtschulzeit aufrecht, so lässt sich auch die Zahl der Schulabbrecher reduzieren. Zudem müssen die Qualifikationen der jungen Menschen besser auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes abgestimmt werden. Dazu braucht es ein flexibleres Bildungssystem. Ein weiteres Mittel, um die Folgen der Krise für junge Menschen zu mindern, sind Programme, die Jugendlichen bei der Arbeitssuche helfen. Darüber hinaus können gezielte Lohnsubventionen Arbeitgeber dazu bewegen, auch geringer qualifizierte Jugendliche einzustellen.

Selbst wenn junge Leute eine Arbeit finden, ist das nicht immer ein Grund zu ungeteilter Freude: Mehr und mehr Menschen erhalten nur noch befristete Verträge, die, anders als früher üblich, in eine Sackgasse führen statt als Sprungbrett für eine dauerhafte Beschäftigung zu dienen. Betroffen sind neben Berufseinsteigern auch Frauen. Zu dieser Unsicherheit kommen in vielen Ländern stagnierende (Deutschland, Frankreich, USA) oder sinkende Reallöhne (Spanien, GB). Gepaart mit einer wachsenden Ungleichheit der Einkommen für Individuen und Haushalte, können diese Effekte den sozialen Zusammenhalt gefährden und den ohnehin schwachen Wirtschaftsaufschwung abbremsen. Die OECD fordert deshalb die G20-Minister auf, nicht nur darüber nachzudenken, wie mehr Jobs geschaffen werden können, sondern auch Maßnahmen zu ergreifen, die zu fairen und hochwertigen Beschäftigungsverhältnissen führen. +++

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