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Sparpolitik: Europa rutscht immer tiefer in die Jobkrise - Risiko sozialer Unruhen deutlich erhöht
(nf/red/08.04.13) Liegt der Königsweg zur Lösung der Staatsschuldenkrise allein in strikter Haushaltskonsolidierung? Nein, meinen die Experten der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Sie verweisen auf den rasanten Anstieg der Arbeitslosigkeit in vielen Ländern der Europäischen Union, vor allem in Krisenstaaten wie Griechenland, Portugal oder Spanien. Anzeichen einer Erholung gebe es nicht. In den vergangenen sechs Monaten hätten EU-weit eine Million Menschen ihren Job verloren, stellt die ILO fest und schlägt zugleich Alarm: Das Risiko sozialer Unruhen habe sich aufgrund der schlechten Lage am Arbeitsmarkt deutlich erhöht. Nötig seien konkrete strategische Maßnahmen jenseits einer rigiden Sparpolitik, um für mehr Beschäftigung zu sorgen und Europas Jobkrise wieder in den Griff zu bekommen. Die ILO-Vorschläge reichen von einer verbesserten Kreditversorgung für mittelständische Unternehmen bis hin zu Beschäftigungsgarantien für junge Menschen, die vielerorts besonders stark von Arbeitslosigkeit betroffen sind.

Originaltext der ILO:

+++ Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) fordert ein Umsteuern hin zu einer beschäftigungsorientierten Politik in der EU, um die dramatische Beschäftigungskrise mit mehr als 26 Millionen Arbeitslosen in der Region zu bekämpfen.

„Haushalts- und wettbewerbspolitische Ziele sind zweifellos wichtig. Falsch wäre es aber, sie durch pauschale Sparmaßnahmen und Strukturreformen erreichen zu wollen, die an den grundlegenden Ursachen der Krise vorbeigehen“, heißt es in einem Kurzbericht der UN-Sonderorganisation anlässlich ihrer europäischen Regionalkonferenz vom 8. bis 11. April in Oslo. „Durch eine beschäftigungsorientierte Strategie dürften sich hingegen sowohl volkswirtschaftliche als auch beschäftigungspolitische Ziele besser erreichen lassen.“

Der ILO zufolge hat sich die Beschäftigungssituation in der EU seit Einführung des strikten Sparkurses weiter verschlechtert. Nach einer Atempause 2010 und 2011 ist die Arbeitslosigkeit wieder angestiegen, und es gibt nach wie vor keine Anzeichen einer Erholung. Allein in den vergangenen sechs Monaten haben eine Million Menschen in der EU ihren Arbeitsplatz verloren.

Nur in fünf der 27 EU-Staaten (Deutschland, Österreich, Luxemburg, Ungarn und Malta) hat die Beschäftigungsquote einen Stand über dem Vorkrisenniveau erreicht. In Ländern wie Zypern, Griechenland, Portugal und Spanien hingegen sind in den vergangenen zwei Jahren die Beschäftigungsquoten um mehr als drei Prozentpunkte gesunken.

Inzwischen gibt es in der EU 10 Millionen mehr Arbeitslose als vor Ausbruch der Krise. Besonders stark betroffen sind junge und gering qualifizierte Arbeitnehmer. Zudem wird Langzeitarbeitslosigkeit in weiten Teilen der Region zu einem strukturellen Problem. In 19 EU-Staaten sind mehr als 40 Prozent der Arbeitslosen schon seit mehr als einem Jahr ohne Job.

Eine Folge der Verschlechterung der arbeitsmarktpolitischen Lage ist, dass das Risiko sozialer Unruhen nun zwölf Prozentpunkte höher ist als vor Ausbruch der Krise.

Die ILO schlägt daher eine Kombination von Strategien zur Bekämpfung der Beschäftigungskrise vor:
  • Erstens müssen die strukturellen Ursachen der Krise angegangen werden, insbesondere im Finanzsektor. Denn diese führen dazu, dass gerade kleine und mittlere Betriebe, in denen am ehesten Arbeitsplätze entstehen, keinen ausreichenden Zugang zu Krediten haben.
  • Zweitens muss dem Abwärtsdruck auf Löhne und Beschäftigung entgegengewirkt werden, weil dadurch produktive Investitionen und der innereuropäische Handel behindert werden. Schweden hat mit seiner Reaktion auf die Finanzmarktprobleme in den 1990er-Jahren gezeigt, dass dieser Ansatz sowohl machbar als auch erfolgversprechend ist.
  • Drittens müssen Notmaßnahmen für junge Menschen wie etwa Beschäftigungsgarantien ergriffen werden, durch die sichergestellt wird, dass Jugendliche einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz erhalten.
  • Viertens sollte der soziale Dialog zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Regierungen als wichtiges Instrument bei der Ausarbeitung entsprechender Strategien genutzt werden. Dadurch kann breite Unterstützung für beschäftigungsorientierte Reformen und die Ausrichtung dieser Reformen auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Betroffenen gewährleistet werden.
(...)  +++

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