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Bestechung: "Problem der Korruption auch in deutschen Unternehmen noch lange nicht vom Tisch“
(nf/red/07.05.13) Die krisenhafte ökonomische Entwicklung in weiten Teilen Europas erschwert zunehmend den Kampf gegen die nach wie vor verbreitete Korruption in der Wirtschaft. Zu dieser Einschätzung kommt die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young nach Auswertung einer Studie, für die das Unternehmen rund 3.500 führende Manager aus 36 Ländern befragt hat. 39 Prozent von ihnen gaben demnach an, Bestechung sei in ihrem Land gängige Praxis. Spitzenwerte erzielten hier Slowenien, die Ukraine und Griechenland. Deutschland liegt klar unter dem europäischen Schnitt. Dennoch meinen auch hierzulande noch beachtliche 30 Prozent der befragten Manager, Korruption sei an der Tagesordnung.

Die Untersuchung zeigt zugleich, dass der Druck auf die Unternehmen, Umsätze und Gewinne von Quartal zu Quartal zu steigern, enorm zugenommen hat. 71 Prozent der in Westeuropa Befragten bestätigen diese Tendenz. Vor diesem Hintergrund verweisen die Experten von Ernst & Young auf die "erheblichen Herausforderungen" für international agierende Unternehmen, um im verschärften Wettbewerb zu bestehen. Auf vielen Märkten seien Schmiergeldzahlungen üblich. Firmen, die Bestechung hingegen ablehnten, müssten stets damit rechnen, dass ihnen Geschäfte entgehen. "Es tut weh, einen Auftrag nicht zu erhalten, weil man nicht zu illegalen Zahlungen bereit ist", betonen die Autoren der Studie. Dennoch gebe es zu einer entschlossenen Antikorruptionspolitik keine Alternative. Korruptionsskandale könnten für Firmen "existenzbedrohend" sein. Auch in deutschen Unternehmen sei das Problem "noch lange nicht vom Tisch".

Originaltext von Ernst & Young:

+++ Korruption ist in Europas Wirtschaft immer noch überraschend weit verbreitet. Nach Meinung von 39 Prozent der Manager ist Bestechung in ihrem Land an der Tagesordnung. Slowenien, die Ukraine und Griechenland belegen einen unrühmlichen Spitzenplatz im Europa-Ranking: Dort liegt der Anteil der Befragten, die Korruption in ihrem Land für üblich halten, bei 96, 85 bzw. 84 Prozent und damit etwa auf dem Niveau von Kenia und Nigeria. Deutschland liegt mit 30 Prozent unter dem europäischen Durchschnitt. Am wenigsten verbreitet ist Korruption aber in der Schweiz: Hier geben nur 10 Prozent der Befragten an, Bestechung sei in ihrem Wirtschaftsleben gängig. Finnland und Schweden liegen jeweils bei 12 Prozent, Norwegen bei 17 Prozent.

In Westeuropa hält jeder siebte Manager es in der eigenen Branche für übliche Praxis, Aufträge mithilfe von Bestechung zu gewinnen. In Deutschland sagen das immerhin noch 9 Prozent der Befragten. Und erstaunlich viele Manager können sich vorstellen, in Notsituationen dem Geschäftserfolg mit unlauteren Mitteln nachzuhelfen: So halten von den westeuropäischen Managern 13 Prozent (Deutschland: 7 Prozent) Bestechung von Geschäftspartnern für gerechtfertigt, wenn auf diese Weise ein Unternehmen über einen Wirtschaftsabschwung hinweggerettet werden kann – obwohl die Mehrheit der Unternehmen in der Folge einiger Skandale schon umfassende Antikorruptionsregeln eingeführt haben.

Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young, für die knapp 3.500 Finanzvorstände, Leiter der Revision, der Rechtsabteilung und des Compliance-Managements aus 36 Ländern befragt wurden, davon 100 aus Deutschland.

Trotz der lahmenden Konjunktur sind die Erwartungen an die Unternehmen, mit Umsatz- und Gewinnzuwächsen zu glänzen, hoch: 55 Prozent der deutschen Manager berichten von steigendem Druck, mit guten Quartalszahlen den hohen Ansprüchen der Investoren und Anteilseigner gerecht zu werden. In Westeuropa liegt der Anteil mit 71 Prozent noch höher. Um diesen hohen Erwartungen zu genügen, werden offenbar immer wieder auch Zahlen geschönt: So geben in Deutschland 34 Prozent der Manager an, dass Unternehmen Geschäftszahlen oftmals besser aussehen lassen, als sie tatsächlich sind. Das liegt über dem westeuropäischen Durchschnitt von 31 Prozent. Besonders verbreitet ist ein solches Verhalten der Umfrage zufolge in Kroatien (58 Prozent), in Spanien und Russland (jeweils 61 Prozent) sowie in Slowenien (65 Prozent).

Und wenn es darum geht, neue Aufträge zu akquirieren, ist Bestechung in einigen europäischen Ländern durchaus an der Tagesordnung: In Deutschland geben zwar nur 9 Prozent der Manager an, dass Schmiergeldzahlungen in der eigenen Branche üblich seien, um Ausschreibungen zu gewinnen; in Russland (56 Prozent), der Ukraine (54), in Slowenien (46) und in Serbien (44) liegt der Anteil aber deutlich höher.

„In vielen Märkten ist die Zahlung von Schmiergeldern nach wie vor üblich“, beobachtet Stefan Heißner, Leader Fraud Investigation & Dispute Services EMEIA Central Zone bei Ernst & Young. „Die Manager international agierender Konzerne stehen in solchen Ländern vor erheblichen Herausforderungen: Wenn sie sich an die geltenden Regeln und Gesetze halten, entgeht ihnen Geschäft – mit der Folge, dass sie womöglich ihre Umsatzziele verfehlen.“ Heißner räumt ein: „Es tut weh, einen Auftrag nicht zu erhalten, weil man nicht zu illegalen Zahlungen bereit ist. Da braucht es glasklare unternehmensinterne Vorgaben, deren Einhaltung tatsächlich ständig überprüft werden, um zu verhindern, dass Mitarbeiter der Versuchung erliegen, dem Erfolg mit Schmiergeldzahlungen nachzuhelfen.“

Denn zu einer klaren Antikorruptionspolitik gibt es keine Alternative, so Heißner: „Korruptionsskandale können existenzbedrohend sein. Diese Botschaft ist inzwischen in den Chefetagen aller deutschen Großkonzerne angekommen.“ Die Herausforderung bestehe nun darin sicherzustellen, dass die Richtlinien immer und von allen Mitarbeitern tatsächlich befolgt werden.

Heißner betont, dass viele deutsche Unternehmen in den letzten Jahren massive Anstrengungen unternommen haben, Korruption im eigenen Haus zu verhindern. In der Befragung gaben 64 Prozent der deutschen Manager an, das gehobene Management habe ein klares Bekenntnis zu Antibestechungsrichtlinien abgegeben. In Westeuropa insgesamt sind es nur 49 Prozent. Von klaren Strafen bei Verstößen berichteten 49 Prozent in Deutschland, 46 Prozent in ganz Westeuropa. Tatsächlich vorgegangen gegen Mitarbeiter, die Regeln verletzten, wurde bei 32 Prozent der Befragten in Deutschland und bei 29 Prozent im westeuropäischen Durchschnitt.

Die Bekämpfung von Korruption bleibe eine wichtige Aufgabe für die Unternehmenslenker, so Heißner: „Nach unserer Erfahrung ist das Problem der Korruption auch in deutschen Unternehmen noch lange nicht vom Tisch.“

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten wird nach wie vor ein Auge zugedrückt
Immerhin 15 Prozent der deutschen Manager halten es für gerechtfertigt, mit dem Angebot von Unterhaltungsdienstleistungen Aufträge zu akquirieren und so ein Unternehmen über einen Abschwung zu retten. Der Schnitt in Westeuropa liegt bei nur 12 Prozent. Die Slowaken halten dies sogar zu 38 Prozent für gerechtfertigt, die Spanier zu 22 und die Iren zu 17 Prozent.

Bargeld allerdings ist weitgehend tabu – nur 7 Prozent der deutschen Manager würden eine derartige monetäre Nachhilfe gutheißen. Der westeuropäische Durchschnitt liegt hier bei 13 Prozent; in Griechenland hingegen halten 54 Prozent der Manager Barzahlungen im Notfall für gerechtfertigt, in der Türkei immerhin noch gut jeder vierte.

„Es ist erstaunlich, dass offenbar immer noch so viele große Unternehmen auf diesem Auge blind sind“, so Heißner. „Inzwischen sollten sich die erheblichen Risiken herumgesprochen haben, die die Antikorruptionsgesetze etwa der USA und Großbritanniens auch für die Muttergesellschaften und die Auftraggeber regionaler Vertretungen mit sich bringen.“

Schwächen beim Einsatz von Kontrollwerkzeugen
In diesem Jahr haben 61 Prozent der deutschen (und 55 Prozent aller befragten westeuropäischen) Manager zu Protokoll gegeben, dass in ihrem Unternehmen Antikorruptionsrichtlinien bestünden. Von einer „Whistleblowing“-Hotline zum Melden von Betrug, Bestechung oder Korruption berichteten hingegen nur 45 Prozent der deutschen Manager (Westeuropa: 37 Prozent). Ob allerdings das eigene Unternehmen „Whistleblower“ – also Mitarbeiter, die Verdachtsfälle melden – im Ernstfall auch unterstützen würde, scheint vielen Beschäftigten fraglich: Nur 45 Prozent der Befragten in Deutschland geben an, dass „Whistleblower“ mit der Rückendeckung durch die Unternehmensleitung rechnen könnten. In ganz Westeuropa liegt der Anteil sogar nur bei 37 Prozent.

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