wirtschaft

Arbeitsmarkt: Immer mehr Geringverdiener - "Polarisierung der Erwerbseinkommen"
(nf/red/25.07.13) Die offizielle Statistik stellt dem deutschen Arbeitsmarkt seit Jahren ein gutes Zeugnis aus. Inmitten der Krise Europas präsentiert sich die Beschäftigungslage in der Bundesrepublik - dank vergleichsweise niedriger Arbeitslosenquoten und steigender Erwerbstätigenzahlen - nach wie vor als äußerst robust. Bei näherem Hinsehen offenbaren sich jedoch Risse in der weltweit als "deutsches Jobwunder" bestaunten Fassade. Eine Studie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt: Fast ein Viertel aller Arbeitnehmer in Deutschland muss sich mit Niedriglöhnen begnügen. Überproportional betroffen sind etwa Frauen oder Teilzeitkräfte. Doch selbst unter den Vollzeitbeschäftigten beträgt der Anteil der Geringverdiener noch rund 20 Prozent - auch dies ein hoher Wert im internationalen Vergleich. Die Untersuchung widerlegt zudem die verbreitete Annahme, im Niedriglohnsektor seien überwiegend Geringqualifizierte zu finden. Laut der Studie verfügen 80 Prozent der Betroffenen über einen Berufsabschluss.

Originaltext des IAB:

+++ In Deutschland verdiente im Jahr 2010 knapp ein Viertel aller Beschäftigten weniger als 9,54 Euro brutto pro Stunde. Das geht aus einer neuen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor. Damit ist der Anteil der Geringverdiener hierzulande größer als in anderen westlichen EU-Ländern. Wenn man ausschließlich Vollzeitbeschäftigte berücksichtigt, ist der Anteil in Deutschland mit rund einem Fünftel etwas niedriger, aber im Vergleich immer noch relativ hoch.

Wie in international vergleichenden Analysen üblich wurde in der IAB-Studie die Niedriglohnschwelle bei zwei Drittel des nationalen Medianlohns angesetzt. Der Medianlohn ist der mittlere Lohn: Die eine Hälfte aller Beschäftigten verdient mehr, die andere Hälfte weniger als den Medianlohn. Dieser Definition folgend lag die deutsche Niedriglohnschwelle im Jahr 2010 bei einem Stundenlohn von 9,54 Euro brutto.

Die Forscher weisen darauf hin, dass Niedriglohnbeschäftigung nicht unbedingt mit Einkommensarmut einhergehen muss: „Die Armutsgefährdung hängt nicht nur vom individuellen Bruttolohn, sondern auch von anderen Einkünften, von der Wirkung des Steuer- und Transfersystems und vom Haushaltskontext ab.“

Länderübergreifend sind Frauen, Jüngere, Geringqualifizierte, Ausländer, befristet Beschäftigte und Arbeitnehmer in Kleinbetrieben unter den Geringverdienern überrepräsentiert. Die Niedriglohnquoten von Frauen und Teilzeitbeschäftigten sind in Deutschland besonders hoch. Zu den Geringverdienern zählen nicht nur Geringqualifizierte: Mehr als 80 Prozent der Geringverdiener in Deutschland haben eine abgeschlossene Berufsausbildung. Wie viele von ihnen auch entsprechend ihrem Ausbildungsabschluss eingesetzt sind, geht aus den der Studie zugrundeliegenden Daten allerdings nicht hervor.

Die Zahl der Niedriglohnbeschäftigten ist in Deutschland  bereits seit den 90er Jahren deutlich gestiegen, ebenso ihr Anteil an der Gesamtbeschäftigung. „Einerseits könnte die zunehmende Verbreitung von Niedriglöhnen die Chancen für Erwerbslose vergrößern, wieder in Arbeit zu kommen. Andererseits wird sie als Teil eines breiteren gesellschaftlichen – und sozialpolitisch problematischen – Trends zur Polarisierung der Erwerbseinkommen gesehen“, schreibt der Arbeitsmarktforscher Thomas Rhein.

„Niedriglohnbeschäftigung kann nicht allein unter dem Gesichtspunkt ihrer Verteilungswirkungen betrachtet werden. Aus arbeitsmarktpolitischer Sicht ist zu fragen, ob mehr Niedriglohnjobs für Beschäftigungsgewinne sorgen und die Arbeitslosigkeit reduzieren können, weil sie auch wettbewerbsschwachen (zum Beispiel gering qualifizierten) Arbeitskräften Chancen bieten“, betont IAB-Forscher Rhein. Im Ländervergleich lässt sich allerdings nicht feststellen, dass ein größerer Anteil von Geringverdienern mit einer niedrigeren Arbeitslosigkeit und einem höheren Beschäftigungsstand einhergeht.

(...)
+++

Infolink zur Originalquelle

Hinweis der Redaktion: Für die Inhalte externer Links und dokumentierter Originaltexte sind die jeweiligen Anbieter bzw. Autoren verantwortlich.
 
 
 

Datenschutzhinweis
NachrichtenFormat.de sammelt und verarbeitet keine personalisierten Nutzerdaten, kann aber nicht ausschließen, dass Webdienste, mit denen der Betrieb des Portals verbunden ist, dies tun, etwa über die Verwendung von Cookies. Durch die Nutzung von NachrichtenFormat.de stimmen Sie dem zu. Mehr
Recherche

Suchwort eingeben
und Thema auf
NachrichtenFormat.de
recherchieren: 


Hier geht's zur Suche!

Meistgesucht: Flüchtlinge /
Schuldenkrise / Arbeitsmarkt /
Konjunktur
/ Klimawandel

Themen
Konjunktur
Absturz 2020 weniger hart
Corona
Globale Bildungskrise 
Scholz und die SPD
Wille zur Macht
Forscher warnen
Kommt die "Heißzeit"?
Brexit
Zug nach Nirgendwo?

Buchtipps
Alternde Gesellschaft
Keine Panik?
Netzkultur
Neue Entpolitisierung
DDR
Opportunismus und
Selbstbehauptung
Generationen
Nach uns die Sintflut?
Digitalisierung
Datennehmer und Datengeber