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Kinderarmut: Breite Mehrheiten für gezielte Hilfsmaßnahmen - Mehr Engagement von Staat und Gesellschaft gefordert - Zwei Drittel würden höhere Steuern zur Finanzierung akzeptieren
(nf/red/14.01.14) Die Bundesrepublik zählt zu den reichsten Ländern der Erde - und hat dennoch ein massives Problem angesichts weit verbreiteter Kinderarmut. Diese Auffassung wird von einer großen Mehrheit der Bevölkerung geteilt, wie eine repräsentative Umfrage des Deutschen Kinderhilfswerks verdeutlicht. Die Organisation beziffert die Zahl der von Armut betroffenen Kinder und Jugendlichen in Deutschland auf etwa 2,8 Millionen. Für sie gebe es zu wenig Unterstützung durch Staat und Gesellschaft, meinen drei Viertel der Befragten. Gefordert werden konkrete Schritte zur Eindämmung von Kinderarmut. Im Mittelpunkt dabei stehen Vorschläge zur Kostenbefreiung etwa bei Lehrmitteln, Kultur- und Sportangeboten, bei der Ganztagsbetreuung oder beim Schulessen. Auch die Forderung nach mehr Fachpersonal in pädagogischen Einrichtungen findet nahezu uneingeschränkte Zustimmung. Zwei Drittel der Befragten würden sogar höhere Steuern zahlen, um die Finanzierung solcher Hilfsmaßnahmen zu sichern.

Originaltext des Deutschen Kinderhilfswerks:

+++ Ein Großteil der Bevölkerung in Deutschland fordert eine umfassende Veränderung politischer Rahmenbedingungen, um die Kinderarmut in Deutschland zu bekämpfen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage von infratest dimap im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes. Als Maßnahmen zur Bekämpfung von Kinderarmut werden vor allem gefordert, einkommensschwache Familien und deren Kinder mit Lehrmittelfreiheit (97 Prozent), kostenfreiem Essen in Schule und Kita (86 Prozent) und auch kostenfreien Beteiligungsmöglichkeiten an Bildung, Kultur und Sport (81 Prozent) sowie kostenlosen Ganztagsbetreuungen in Schulen und Kitas (84 Prozent) zu unterstützen. In der Bevölkerung werden solche Maßnahmen der Kostenbefreiung als außerordentlich wichtig eingeschätzt. Bemerkenswert ist, dass Männer wie Frauen nahezu in gleichem Maße die kostenlose Ganztagsbetreuung fordern, während unter Frauen die Zugänge zu Kultur- und Freizeiteinrichtungen deutlich wichtiger eingeschätzt werden. Sehr stark verbreitet ist auch die Forderung, in Schulen und Kitas mehr Fachkräfte und Sozialarbeiter (94 Prozent) einzusetzen, die sich um benachteiligte Kinder kümmern. Von Bevölkerungsmehrheiten werden außerdem eine Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze für Kinder (70 Prozent) und Erhöhungen des staatlichen Kindergeldes (62 Prozent) als wirksame Unterstützungen bewertet.

Drei von vier der Befragten (72 Prozent) sind der Ansicht, staatliche und gesellschaftliche Verantwortungsträger würden „eher wenig“ oder „sehr wenig“ tun, um Kinderarmut wirkungsvoll entgegenzutreten. Trotz differenzierter Sicht der Anhänger der verschiedenen Parteien kommen jeweils große Mehrheiten der politischen Lager zur Aussage, Staat und Gesellschaft engagierten sich zu wenig gegen Kinderarmut. Hier schwankt die Zustimmungsrate zwischen 89 Prozent bzw. 80 Prozent bei den Linken- und SPD-Anhängern und 78 Prozent bzw. 60 Prozent bei den Grünen- und Unions-Anhängern.

Auch bei der Frage der Finanzierung der notwendigen Maßnahmen gibt es eine große Übereinstimmung: 66 Prozent der Bundesbürger wären bereit, mehr Steuern zu bezahlen, wenn damit das Problem der Kinderarmut in Deutschland wirksam bekämpft würde. Gleichlautende Bekundungen gehen quer durch die politischen Lager. Dabei variiert die Zustimmung zwischen 87 Prozent bzw. 73 Prozent bei den Grünen- und SPD-Anhängern und 67 Prozent bzw. 60 Prozent bei den Unions- und Linken-Anhängern.

„Diese Zahlen lassen in ihrer Deutlichkeit keinen Spielraum für Interpretationen, die Menschen in Deutschland sehen Staat und Gesellschaft ganz klar in der Pflicht, entschiedener als bisher die Kinderarmut in Deutschland zu bekämpfen. Nach Berechnungen des Deutschen Kinderhilfswerkes sind derzeit rund 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche von Armut betroffen. Deshalb brauchen wir ein Nationales Programm zur Bekämpfung der Kinderarmut. Kinderarmut kann nur effizient und nachhaltig bekämpft werden, wenn alle Maßnahmen zu diesem Zweck unter einem Gesamtkonzept verknüpft und mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik sind ebenso zu berücksichtigen, wie Familien- und Bildungspolitik, Gesundheits- und Sozialpolitik sowie Stadtentwicklungs- und Wohnungsbaupolitik. Ein besonderer Fokus ist auf den Bildungsbereich zu legen. An dieser Stelle braucht es verstärkte politische Anstrengungen, allen Kindern gleiche Chancen für eine erfolgreiche Bildungslaufbahn zu ermöglichen sowie ein nach oben durchlässigeres Schulsystem, das alle Kinder und Jugendlichen individuell entsprechend ihren Fähigkeiten optimal fördert. Die Reformanstrengungen der Bundesländer im Bildungsbereich müssen fortgesetzt werden, denn der Bildungsaufstieg ist der nachhaltigste Weg aus der Armut“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

„Der Kinderzuschlag ist ein wichtiger Baustein zur Bekämpfung der Kinderarmut, muss allerdings reformiert werden und in eine bedarfsgerechte Kindergrundsicherung münden. Wer Vollzeit arbeitet muss in der Lage sein, den Familienunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten. Deshalb brauchen wir armutsfeste Löhne in Deutschland“ so Krüger weiter. Weitere Maßnahmen sind aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes Beschäftigungsangebote für Langzeitarbeitslose, spezielle Unterstützung für Alleinerziehende sowie eine Stärkung des sozialen Wohnungsbaus. „Das Bildungs- und Teilhabepaket für Kinder und Jugendliche aus finanziell benachteiligten Familien ist und bleibt eine soziale Mogelpackung und bürokratische Stümperei. Auch die zu Beginn des letzten Jahres beschlossenen Änderungen am Bildungs- und Teilhabepaket haben lediglich die schlimmsten bürokratischen Auswüchse beseitigt. Aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes muss die Bundesregierung mit den zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen armutsfeste Regelsätze für Kinder festlegen. Außerdem müssen die Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe gestärkt werden“ so Krüger abschließend.

Der Erwerbsstatus von Eltern sowie politische Rahmenbedingungen werden von der Bevölkerung als die wesentlichen Einflussfaktoren auf das Wohl von Kindern in Deutschland eingeschätzt. Niedrige Einkommen durch prekäre Arbeitsverhältnisse (85 Prozent) sowie die besondere Situation von Alleinerziehenden (75 Prozent) sind laut Umfrage die Hauptgründe für fehlendes Geld in Familien und damit auch die wichtigsten Auslöser für Kinderarmut in Deutschland. Die steigende Verantwortung von Staat und Gesellschaft ergibt sich nicht zuletzt aus der Erosion des familialen Zusammenhalts, den viele beklagen (61 Prozent). Dass vor allem ältere Befragte auch eine Mitschuld von Eltern in einkommensschwachen Familien konstatieren, da sie sich nicht ausreichend um das Wohl ihrer Kinder kümmern, zeigt einen Bruch zwischen den Generationen.

(...)

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