wirtschaft

Konjunktur: Forscher sehen Deutschland weiterhin auf dem Wachstumspfad - "Das größte Risiko stellen die Schwellenländer dar"
(nf/red/04.09.15) Kurssturz in China, nachlassende Weltwirtschaft, wenig Investitionsneigung, nervöse Anleger: Die ungünstigen Vorzeichen für die exportorientierte deutsche Volkswirtschaft mehren sich. Wirtschaftswissenschaftler bleiben dennoch verhalten optimistisch. Die deutsche Konjunktur werde den Risiken der Weltwirtschaft trotzen, lautet etwa die Prognose der Experten vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI). Für 2015 sehen sie das Wachstum bei 1,9 Prozent, für 2016 bei 1,7 Prozent. Grund zur Zuversicht geben demnach vor allem der anziehende Konsum, aber auch die niedrigen Energiepreise und der verbilligte Euro. Zugleich warnen die Forscher: "Das größte konjunkturelle Risiko stellen derzeit die Schwellenländer dar."

Originaltext des HWWI:

+++ Das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) hat seine Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland aktualisiert. Angesichts der bislang weitgehend wie prognostiziert eingetretenen Entwicklung sowie annähernd unveränderter Rahmenbedingungen wird für 2015 weiterhin mit einem Wirtschaftswachstum von 1,9 % und für 2016 von rund 1,7 % gerechnet. Die deutsche Wirtschaft hat im Frühjahrsquartal ihren Aufwärtstrend fortgesetzt und ist mit 0,4 % im Vergleich zum Vorquartal etwas stärker gewachsen als zu Beginn des Jahres (0,3 %). Auch für den restlichen Jahresverlauf sind die Voraussetzungen für einen Aufschwung weiterhin gegeben.   
 
Im Gegensatz zum Vorquartal wurde das Wachstum im zweiten Quartal vor allem vom Außenhandel gestützt; so stiegen die Exporte preisbereinigt mit einer Vorquartalsrate von 2,2 % so stark wie seit vier Jahren nicht mehr. Gleichzeitig wuchsen die Importe im selben Zeitraum lediglich um 0,7 %, so dass der Außenbeitrag insgesamt einen Wachstumsimpuls von 0,9 Prozentpunkten lieferte. Die preisbereinigte Binnennachfrage hingegen trug negativ zum Wachstum bei (-0,3 Prozentpunkte). Während sich der private und staatliche Konsum weiterhin positiv entwickelten, dämpften die Entwicklung der Investitionen und ein deutlicher Vorratsabbau die inländische Nachfrage. Der Preisanstieg hat sich aufgrund erneut sinkender Energiepreise zuletzt wieder verringert. So lag die Inflationsrate mit 0,2 % im Juli wieder nahe der Nulllinie. Der Beschäftigungsaufbau hat sich seit Beginn des Jahres zwar verlangsamt und auch die Arbeitslosigkeit ist zuletzt weniger stark zurückgegangen, insgesamt befindet sich der Arbeitsmarkt damit aber in einer weiterhin guten Grundfassung.  
 
Stimmungsindikatoren wie der ifo-Geschäftsklima-Index und das IAB-Arbeitsmarktbarometer sind zuletzt wieder leicht gestiegen; aber auch fundamentalwirtschaftliche Indikatoren wie die Industrieproduktion und die Auftragseingänge haben sich im zweiten Quartal positiv entwickelt. Nichtsdestotrotz zeigte sich die Weltwirtschaft in den vergangenen Monaten weniger dynamisch. Vor allem die Sorgen rund um das chinesische Wachstum, die einen Kursrutsch an den chinesischen Aktienmärkten auslösten, hat die Unsicherheit der internationalen Anleger in den letzten Tagen wieder deutlich erhöht, während die Situation in Griechenland nach Abschluss des dritten Hilfspakets die europäischen Finanzmärkte zuletzt beruhigt hatte. Insgesamt dürfte die Weltwirtschaft unter der Annahme, dass sich die gestiegenen Risiken weiterhin nicht materialisieren, im Prognosezeitraum moderat wachsen; niedrige Energiepreise stützen weltweit die Konjunktur und die Exportwirtschaft in der Eurozone profitiert vom niedrigen Außenwert des Euro.  
 
„Die Binnenwirtschaft wird im Prognosezeitraum wichtigste Wachstumsstütze bleiben. Auch der Außenhandel bliebt zwar stark; allerdings in einem weltwirtschaftlichen Umfeld mit gestiegenen Risiken“, sagt Dr. Anja Rossen, Konjunkturexpertin am HWWI. So wirken sich die niedrigen Energiepreise und der gesunkenen Außenwert des Euros positiv auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage aus und der private Konsum profitiert von der stabilen Arbeitsmarktlage. Der Aufwärtstrend am Arbeitsmarkt sollte sich im Prognosezeitraum mit leicht verringertem Tempo fortsetzen.  

(...)

Für ein Anziehen der Investitionstätigkeit im Laufe des Prognosezeitraumes sprechen die nach wie vor günstigen Finanzierungsbedingungen und der steigende gesamtwirtschaftliche Auslastungsgrad. Nichtsdestotrotz könnte eine unerwartet schwache Entwicklung der Weltwirtschaft, allem voran eine Zuspitzung der Krise in China, die Unsicherheit der Unternehmen wieder erhöhen, so dass sich die Investitionsneigung verringert und der angelegte Investitionsaufschwung sich weiter verzögert. Die Exporttätigkeit Deutschlands sollte mit Belebung des Euroraums weiter zunehmen, so dass der Außenbeitrag im Prognosezeitraum positiv zum Wachstum beitragen wird.  Das Staatskonto sollte im Prognosezeitraum leicht positiv bleiben. Mehrausgaben aufgrund steigender Sozialleistungen (Rentenanpassungen, Erhöhung der Bruttolöhne und -gehälter) und staatlicher Investitionen stehen steigende Einnahmen aus der Einkommenssteuer und den Sozialbeiträgen gegenüber. Die Preisdynamik dürfte in diesem Jahr niedrig bleiben. Bei nicht weiter fallenden Ölpreisen dürfte sie sich im Verlauf des nächsten Jahres aufgrund des Basiseffektes aber wieder erhöhen. Vor diesem Hintergrund wird die Europäische Zentralbank (EZB) ihren expansiv ausgerichteten Kurs beibehalten.    
 
„Das größte konjunkturelle Risiko stellen derzeit die Schwellenländer dar. Sofern sich die derzeitigen Korrekturen an den Finanzmärkten nicht zu einer Krise verschärfen, bleibt die deutsche Wirtschaft auf Wachstumskurs“, sagt Prof. Dr. Henning Vöpel, Direktor des HWWI. Gleichzeitig stellt die anstehende Zinswende der amerikanischen Zentralbank (Fed) immer noch ein Risiko vor allem für die Entwicklung in den Schwellenländern in Verbindung mit einem möglichen Kapitalabzug dar. Es ist davon auszugehen, dass die Fed lediglich einen ersten Zinsschritt zum Ende des Jahres vollzieht. Von Griechenland dürften im Prognosezeitraum keine gravierenden Risiken ausgehen, wenngleich auch das dritte Rettungspaket die grundsätzlicheren Probleme der Europäischen Währungsunion nicht gelöst hat.  

(...)

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