gesellschaft

Dieselautos: Schadstoffausstoß noch höher als bisher angenommen - Grenzwerte für Stickoxid um ein Vielfaches überschritten - Studie nimmt realen Fahrbetrieb unter die Lupe
(nf/red/25.04.17) Autohersteller verweisen gerne auf das hohe technologische Niveau ihrer Produkte. Beim Thema Abgasreinigung erscheint ihre Innovationskraft jedoch eher gebremst. Am Pranger stehen dabei vor allem Dieselfahrzeuge. Eine neue Studie des Umweltbundesamtes (UBA) hat jetzt nachgewiesen, dass selbst modernste Dieselmodelle vorgeschriebene Emissionsnormen während des realen Fahrbetriebs um ein Vielfaches überschreiten. Die geltenden Grenzwerte für den Ausstoß des gesundheitschädlichen Stickoxids werden demnach offenbar nur im Labor eingehalten, mit der alltäglichen Fahrpraxis haben sie - besonders an kälteren Tagen - wenig zu tun. Angesichts der zunehmenden Schadstoffbelastung der Atemluft stehe die Autoindustrie klar in der Verantwortung, Gegenmaßnahmen zu ergreifen und verbraucherfreundliche Lösungen anzubieten, so die Forderung der UBA-Experten.

Originaltext des Umweltbundesamtes:

+++ Diesel-PKW überschreiten die Euro-Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NOx) auf der Straße noch deutlich stärker als bislang angenommen. Ging man für das Jahr 2016 bislang von 575 mg NOx/km aus, liegt nun die Diesel-Pkw-Flotte in Deutschland bei durchschnittlich 767 mg NOx/km. Das ergaben neue Berechnungen für das Umweltbundesamt (UBA). Für die Neubewertung wurden erstmals auch für den betriebswarmen Motor Messungen bei allen in Deutschland typischen Außentemperaturen berücksichtigt. Hohe NOx-Emissionen treten vor allem an kalten Tagen auf. UBA-Präsidentin Maria Krautzberger: „Unsere neuen Daten zeichnen ein deutlich realistischeres und leider noch unerfreulicheres Bild der Stickoxidbelastung durch Diesel-Pkw in Deutschland. Wir brauchen mehr denn je eine schnelle Entlastung der vielen hunderttausend Menschen, die in den Innenstädten unter den Folgen der viel zu hohen Dieselabgase leiden.“ Stickstoffdioxid reizt die Atemwege, langfristig beeinträchtigt es die Lungenfunktion und führt zu chronischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und vorzeitigen Todesfällen. Es ist besonders für empfindliche Bevölkerungsgruppen wie Kinder gefährlich.

Um ein möglichst realistisches Bild der Emissionen zu bekommen, wurden erstmals nicht nur Messungen des betriebswarmen Motors bei Außentemperaturen von über 20 Grad Celsius zugrunde gelegt, sondern das Abgasverhalten der Diesel über alle Jahreszeiten und für alle in Deutschland üblichen Temperaturen herangezogen. Unterhalb der im Labor üblichen 20 bis 30 Grad Celsius steigen die NOx-Emissionen mit sinkender Außentemperatur stark an. Am schmutzigsten sind unter Berücksichtigung dieses Temperatureffektes Euro-5-Diesel-PKW; sie liegen bei durchschnittlich 906 mg NOx/km (403 Prozent über dem Grenzwert von 180 mg NOx/km). Bei Euro 4 sind es durchschnittlich 674 mg NOx/km (+170 Prozent, Grenzwert: 250), bei modernen, aktuell zugelassenen Euro-6-Diesel-Pkw ohne verbindlichen „RDE-Straßentest (RDE = Real Driving Emissions)“ bei der Zulassung im Mittel 507 mg NOx/km (+534 Prozent, Grenzwert: 80).  

Die Hälfte der Pkw-Fahrleistung wird in Deutschland bei Temperaturen unter 10 °C erbracht. Dass die Abgasreinigung von Stickoxiden von Diesel-PKW an kalten Tagen im praktischen Betrieb auf der Straße teilweise nur unzureichend funktioniert, war erst im Zuge des Dieselskandals im vollen Umfang bekannt geworden. Das UBA legt nun mit der Veröffentlichung einer Aktualisierung des „Handbuches für Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs (HBEFA)“ eine systematische Berechnung der Folgen dieses Missstandes vor und zeigt, wie hoch der Einfluss der Umgebungstemperatur auf die NOx-Emissionen eines bereits betriebswarmen Motors ist. In der Vergangenheit wurde der Temperatureinfluss nur bei kalten Motoren berücksichtigt.

Die neuen Werte haben keinen Einfluss auf die aktuelle Situation der Luftqualität, sie lassen aber Rückschlüsse auf die Wirkung von Gegenmaßnahmen zu. Aufgrund der nun höheren Ausgangswerte wird die Reduktion der Emissionen bei künftigen Euro-6-Diesel-PKW, für die zusätzliche Anforderungen an die Emissionen im realen Straßenbetrieb (RDE) gelten, die Luftbelastung stärker senken als in den bisherigen Analysen des UBA. UBA-Präsidentin Maria Krautzberger: „Die Luft in den Städten muss sauber werden. Ich sehe hier ganz klar die Autoindustrie in der Verantwortung, die eine Lösung anbieten muss, welche Verbraucherinnen und Verbraucher nicht belastet.

(...)

Um die ausgestoßene NOx-Menge von Diesel-PKW zu bestimmen, wurden Messungen auf Prüfständen ebenso wie auch Messungen im praktischen Betrieb auf der Straße (RDE-Fahrten) genutzt. Mit Computermodellen können daraus für beliebige Fahrsituationen die Emissionen bestimmen werden. Der nun aktualisierten HBEFA-Version 3.3., die öffentlich erhältlich ist, liegen wesentlich mehr Messungen von Fahrzeugen zugrunde: 27 Diesel-Pkw der Schadstoffklasse Euro 5 und 25 Diesel-Pkw der Schadstoffklasse Euro 6 – erfasst wurden dabei Fahrzeuge vom Kleinwagen bis zum SUV und damit Fahrzeuge unterschiedlicher Größe. Die neuen Werte bilden die Diesel-PKW-Emissionen in Deutschland repräsentativ ab.

+++

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